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NEUHAUS AM KLAUSENBACH

Herr Franz Schober publizierte eine Zusammenfassung seiner Forschungsarbeit in der Zeitschrift “Signal“ 2006/07 unter dem Titel „Eine Begegnung“. Das Hauptaugenmerk seiner Nachforschungen konzentriert sich auf ein Dorf mit Namen Neuhaus am Klausenbach. Dieses Dorf befindet sich etwa 6 Kilometer nördlich von St. Anna am Aigen. In seinem Artikel nimmt er detailliert Bezug auf die Arbeit des örtlichen Pfarrers Stephan Berger, der während der Jahre 1944/45 das Pfarrhaus als Krankenstube zur Verfügung stellte, in welcher die an Flecktyphus erkrankten Juden behandelt werden konnten. Darüber hinaus beauftragte er seine eigene Schwester, Theresia Berger, sich um die erkrankten Juden zu kümmern. Und während sie das tat, erkrankte sie selbst an dieser Krankheit, die ihr schließlich das Leben kostete.

Im selben Artikel schreibt er über Rosa Freißmuth, die in ihrem Gemischtwarengeschäft in Neuhaus am Klausenbach, direkt vor der Nase eines SS Mannes, der sich auch in ihrem Geschäft befand, einem jungen jüdischen Zwangsarbeiter geholfen hat, der schwer erkrankt war und hohes Fieber hatte. Sie gab dem Jungen Brot und Medikamente. Herr Schober schreibt weiter, dass Rosa Freißmuth wiederholt jüdischen Zwangsarbeitern Nahrung und Medizin gegeben hat. Weiters versteckte sie Juden unweit ihres Geschäfts hinter einer Schneeabdeckung und rettete ihnen somit das Leben. Für ihre Tapferkeit erhielt Rosa Freißmuth posthum eine Ehrung in Yad Vashem, als eine der Gerechten unter den Völkern. Ihr Name ist an der Ehrenwand für immer zu lesen.

Der katholische Geistliche Stephan Berger, seine Schwester Theresia, die Geschäftsinhaberin Rosa Freißmuth und viele andere Einwohner retteten unter großen Entbehrungen in Neuhaus ungarischen Juden das Leben. Zur gleichen Zeit halfen weniger dokumentiert aber nicht minder tapfer Einwohner von St. Anna und Umgebung dabei, das Leben von Juden zu retten, meines eingeschlossen. Maria Lackner gab mir, meinem Freund und Kameraden sowie anderen lebensrettende Nahrung.
Im Kapitel “Das offizielle Treffen” berichtet Ron: „…In der Diskussion mit der Historikerin Dr. Eleonore Lappin, konnten wir bestätigen, dass der ortsansässige Pfarrer eine Rolle in einer Verschwörung [gegen die Nazis, Anm.] gespielt haben könnte, wahrscheinlich indem er die Helfer organisiert hat.“

Nun die schwere Frage:
Gab es da eine Zusammenarbeit zwischen Pfarrer Stephan Berger und dem Pfarrer von St. Anna, Josef Nöhrer? Sprachen sie ihre Bemühungen, Leben zu retten, miteinander ab? Wurden sie von derselben Motivation geleitet oder hat ein Vorgesetzter sie dazu aufgefordert? Könnte es möglich sein, dass Pfarrer Berger Einfluss auf die Pfarrgemeinde von St. Anna hatte? Arbeiteten die beiden Pfarrer von Neuhaus und St. Anna zusammen? Die Antwort lautet: Wir wissen es nicht. Obwohl wir das Folgende wissen: Die Einwohner des Pfarrkreises St. Anna sind tiefgläubige Katholiken, leben das christliche Prinzip der gegenseitigen Hilfeleistung und Nächstenliebe. Wir Juden nennen es tzedaka, das jüdische Wohltätigkeitsgebot. Ein anderer Aspekt ist, dass sich die Gemeinde in einer Grenzregion befindet, wo sich Hilfe suchende Fremde öfters blicken lassen und Generationen wuchsen in dieser Tradition des Helfens und Gebens auf. Alles in allem können wir zusammenfassen, dass die Bewohner dieses Teils von Österreich sich überwältigend gegen die Absicht der Nazis stellten, die Juden auszurotten, sie allesamt zu vernichten.

Diese tapferen Leute zogen an einem Strang um Juden zu retten. Sie versorgten sie mit Nahrung und anderer Unterstützung, so gut sie eben konnten. Mit diesen Taten bewiesen sie, dass die Österreicher, obwohl sie sich unter Naziherrschaft befanden, damals über sechs Jahre lang, imstande waren, viel höhere moralische Werte zu erreichen, indem sie unter Einsatz ihres eigenen Lebens nach bestem Willen Juden retteten.

Ihre Menschlichkeit soll Anerkennung bekommen.




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