Geschichte der Slowen:innen in der Steiermark
Im Staatsvertrag von 1955 heißt es im Artikel 7.1.: „Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, Burgenland und Steiermark genießen dieselben Rechte auf Grund gleicher Bedingungen wie alle anderen österreichischen Staatsangehörigen einschließlich des Rechtes auf ihre eigenen Organisationen, Versammlungen und Presse in ihrer eigenen Sprache.“
Viele haben von der Geschichte der Kärtner Slowen:innen gehört, jedoch kaum jemand weiß, dass auch die Steiermark eine autochthone slowenischsprachige Bevölkerung hat.
In der Steiermark, vor allem im heutigen grenznahen Gebiet, etwa rund um Eibiswald, Leutschach und Bad Radkersburg war es vor dem 1. Weltkrieg noch normal, dass neben Deutsch auch Slowenisch gesprochen wurde. Die Bevölkerung der Städte und Märkte sprach Deutsch, die Bauern in der Region hingegen überwiegend Slowenisch. In den kleinen Dorfschulen saßen mehrheitlich Kinder mit slowenischer Muttersprache, denen man möglichst rasch Deutsch beibringen und nicht die Muttersprache Slowenisch fördern wollte. Mit der Grenzziehung nach dem Ersten Weltkrieg wird das Slowenische zunehmend aus dem öffentlichen Leben zurückgedrängt. Der öffentliche Druck lässt die Slowen:innen verstummen und die slowenischen Wurzeln verschweigen. Durch die wirtschaftliche Randlage verließen auch viele Slowenischsprachige ihre Region und suchten Arbeit in der Stadt oder in den Industrieorten.
Auch wenn im Staatsvertrag aus dem Jahr 1955 die steirischen Slowen:innen als Volksgruppe dezidiert erwähnt werden und ihnen auch Rechte zugesprochen werden, so brauchte es erst die Gründung des Artikel-VII-Kulturvereins für Steiermark und Jahrzehnte lange politische Arbeit, damit die steirischen Slowen:innen als „Teilvolksgruppe“ anerkannt werden. Im Dezember 2003 erfolgte die Aufnahme in den Volksgruppenbeirat für die slowenische Volksgruppe im Bundeskanzleramt und die Bestellung eines steirischen Vertreters, was einer formellen Anerkennung auf Landes- und Bundesebene gleich kam. Dennoch sind noch nicht alle Rechte umgesetzt.
Mit der Unabhängigkeit Sloweniens 1991 und dem Eintritt Slowenien in die EU 2004 hat sich das Klima an der steirisch-slowenischen Grenze gebessert. Seit dem Ende der 1980 wird an vereinzelten Schulen im Grenzgebiet Slowenisch als Freigegenstand angeboten (und bis jetzt gibt es keine zweisprachige Schule in der Region), es wird nun durchaus positiv gesehen wenn jemand neben Deutsch auch noch Slowenisch spricht und die Sprecher:innen selbst sind inzwischen wieder Stolz auf ihre Sprache.
In der Volkszählung 2001 gaben rund 2200 Personen an Slowenisch als Umgangssprache zu verwenden. Im Jahr 1991 waren es nur 1695 Personen. Dem Artikel-VII-Kulturverein für Steiermark war immer klar, dass in der Volkszählung nicht nur autochthone steirische SlowenInnen ihre Angaben zur Umgangssprache machten, sondern dass auch SlowenInnen, die in den 1950er Jahren oder später in die Steiermark gezogen sind. Ein positiver Trend gegenüber der slowenischen Sprache wurde dennoch sichtbar und auch das Selbstverständnis, dass das Slowenische und die slowenischsprachige Bevölkerung Teil der steirischen Geschichte sind. In den folgenden Volkszählungen wurde nicht mehr nach der Umgangssprache gefragt und somit liegen keine aktuellen Zahlen vor.
In der Geschichte der Slowen:innen in der Steiermark muss auch die Stadt Graz erwähnt werden, die seit jeher Anziehungspunkt für SlowenInnen war. Die einen suchten in der Stadt Arbeit, die anderen wurden zum Militär einberufen und einige fanden hier auch Ausbildungsmöglichkeiten.
So ist zu erwähnen, dass in Graz die weltweit älteste slowenische Lehrkanzel an der Jesuitenuniversität errichtet wurde, die der Wiener Hof 1811 genehmigte. Initiator dafür war der Aufklärer und Dichter Janez Nepomuk Primic (1785-1823), der 1810 die „Societas Slovenica“ gegründet hat.
Mitte der 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung der Stadt Graz sehr stark an und auch viele Slowen:innen suchten Arbeit in der Stadt. Die „Windischen“ gehörten zur unteren Bevölkerungsschicht und wohnten in der Murvorstadt, den jetzigen Bezirken Lend und Gries. Auch die Eltern des Dichters und Schriftstellers Alois Hergouth kamen auf der Suche nach einem „besseren Leben“ in die Moserhofgasse, die auch die „windische Herrengasse“ genannt wurde.
Ein bekannter Grazer mit slowenischen Wurzeln ist der berühmte Fahrradpionier und Begründer der Grazer Puch-Werke Johann Puch (1862-1914), der als Janez Puh in Sakušak in der Nähe von Ptuj geboren wurde. Nach seiner Schlosserlehre in Radkersburg kam er nach Graz, gründete seine erste eigene Firma und startete damit seine Karriere.
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